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Neapel: Keine Liebeserklärung!

Ich habe selten, nein, eigentlich noch nie einen Reiseführer gelesen, der so wenig Lust auf das vorgestellte Reiseziel machte, wie mein Neapel-Reiseführer.

Kleine Kostprobe gefällig? Bitte schön:

„Der Corso Umberto ist eine abgasverseuchte Verkehrsader…. Aber auch seine nähere Umgebung sollte man mit Vorsicht genießen, angefangen mit der Piazza Garibaldi, dem Bahnhofsplatz, wo die Luft nach Meinung vieler vor Gefahr nur so knistert.“

Neben ein paar wenigen Sehenswürdigkeiten empfahl der Autor vor allem Plätze und Viertel, die man nicht besuchen sollte, ließ sich über Müll, die Mafia und natürlich auch die Müllmafia aus und warnte vor bösen Schwarzmarkthändlern und Moped-fahrenden Taschendieben, die es auf unschuldige Touristen abgesehen haben. Daneben gab es noch ein paar Seiten über die Verkehrsproblematik und den daraus resultierenden Smog, der fast ständig über der Stadt hängt.

Bella Napoli? Wohl eher nicht.

Warum wir uns auf unserer Fahrt von Rom an die Amalfiküste dennoch für einen zweitägigen Zwischenstopp in Neapel entschieden haben? So genau wissen wir das auch nicht…

Vielleicht dachten wir, dass Geschmäcker ja bekanntermaßen verschieden sind und dass der Reiseführer-Autor vielleicht eher der Mailand-Typ ist, der mit Neapel nichts anfangen kann? Oder dass uns als ausgesprochenen Italien-Fans ein wenig neapolitanisches Chaos durchaus ganz gut gefallen könnte?

Und schließlich gehört die Altstadt von Neapel ja auch seit 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Soooo schlimm konnte es dort also gar nicht sein.

Konnte es doch! Und sogar noch schlimmer!
Neapel übertraf alle unsere Erwartungen und Vorstellungen – im negativen Sinne!

DSC05455_1Die Stadt am Vesuv empfing uns in abendlicher Dämmerung, gepaart mit leichtem Nieselregen – keine gute Kombination. Erst recht nicht, wenn man wie wir ein paar Stunden zuvor noch mitten im wunderschönen, sonnigen Rom war.

In Neapel angekommen, befolgten wir direkt drei der wichtigsten „Wie-man-sich-als-Tourist-in-Neapel-verhalten-sollte-Regeln“:

Regel 1 unserer Mietwagen-Firma: In Neapel darf nicht auf offener Straße geparkt werden!
Regel 2 des Reiseführer-Mannes: Hotels in der Innenstadt meiden, lieber außerhalb wohnen!
Regel 3 eines Freundes meines Mannes: Bloß nicht und unter keinen Umständen mit dem Auto ins Zentrum fahren!

Wir parkten also unseren Mietwagen ordnungsgemäß auf dem abgeschlossenen Parkplatz unseres 20 Minuten außerhalb des Zentrums liegenden Hotels und fuhren mit der Bahn ins Centro Storico, die Altstadt von Neapel.

Das Centro Storico

Eine der wichtigsten Regeln, wenn nicht die wichtigste überhaupt befolgten wir allerdings nicht: Nach Anbruch der Dunkelheit sollten bestimmte Teile des Centro Storico gemieden werden. Darauf hatte der Reiseführer-Mann sehr ausdrücklich und wiederholt hingewiesen.

Ohne zu wissen, welche Teile genau er damit meinte, fuhren wir gegen 20.30 Uhr als es bereits langsam dunkel wurde, mitten hinein in die sagenumwobene neapolitanische Altstadt – und fast umgehend wieder aus ihr hinaus!

Das Centro Storico erwartete uns mit einem unübersichtlichen Gewirr aus menschenleeren Gassen, die teilweise so dunkel und so verlassen waren, dass wir lieber einen Umweg gingen, als durch sie hindurch zu laufen. Alles war heruntergekommen und dreckig, der Müll stapelte sich meterhoch vor verwahrlosten Gebäuden.

Wir nahmen die nächste Bahn zurück in unser Hotel.

Der Reiseführer-Mann schien Recht zu behalten… Aber: Wir wollten Neapel eine zweite Chance geben.
Vielleicht war bei Tageslicht alles gar nicht so schlimm, wie es im Dunkeln bei Nieselregen schien?
Vielleicht war Neapel im Hellen gar nicht so schmutzig und heruntergekommen, sondern eine zwar etwas chaotische, aber dennoch liebenswürdige Italienische Großstadt?

Leider Nein… Statt Liebe auf den zweiten Blick gab es am nächsten Morgen die nüchterne Erkenntnis, dass der erste Eindruck selten täuscht und Neapel nur eines war: Die schrecklichste Stadt, in der wir je waren!

Den Tag verbrachten wir mit lustlosem Herumlaufen und schauten uns alibi-mäßig den Dom, zwei Castellos und ein paar Straßenzüge an.
Aber eigentlich warteten wir nur darauf, dass der Tag schnell vorbei ging und wir am nächsten Morgen Neapel in Richtung Amalfiküste verlassen konnten.

Später erfuhren wir noch, dass am Abend zuvor ein Neapolitaner von seinem Balkon aus vier Passanten mit der Pumpgun erschossen hat, was den Eindruck, den wir von der Stadt hatten, nicht unbedingt besser machte.

Neapel von oben

DSC08664_1Wen es wie uns dennoch -warum auch immer- nach Neapel verschlägt, der sollte sich die Stadt auf jeden Fall von oben anschauen. Am besten geht das vom Hügel Vomero aus, den man am bequemsten mit der Standseilbahn erreicht.

Auf dem Vomero gibt es einen kleinen Platz mit Café, Bänken und wenn man Glück hat, ein paar Straßenmusikern. Und ich muss zugeben, von hier oben betrachtet, sah Neapel mit seinem Gassengewirr und den zahllosen alten Dächern eigentlich ganz schön aus.

Das war dann aber leider auch schon der einzige Moment, in dem wir die Stadt nicht ganz so furchtbar fanden.

Essen

Da in Neapel 1889 die Pizza Margherita erfunden wurde, sollte man diese vor Ort auch unbedingt probieren.

Unser Tipp: Die Pizzeria Sorbillo in der Via Tribunali. Das Sorbillo, eine neapolitanische Institution, in der Papst Franziskus vor einiger Zeit tatsächlich eine Margherita gesegnet hat, öffnet um 19.00 Uhr. Man sollte aber am besten einige Zeit vorher da sein, da sich bereits ab 18.30 Uhr täglich eine lange Schlange vor dem Restaurant bildet.
Grund dafür ist die riesige und recht leckere Pizza, die man dort für unglaubliche 3 Euro bekommt.

Übernachten

Unser regelkonformes Außerhalb-Hotel mit abgeschlossenem Parkplatz war übrigens das Hotel Cristina im Vorort Bagnoli. Das Hotel ist ganz neu, zweckmäßig eingerichtet und relativ günstig (Doppelzimmer ab 50 Euro). Das Frühstück war typisch italienisch, also leider nichts Besonderes. Für ein paar Tage ist das Hotel Cristina trotzdem empfehlenswert – was man von Neapel leider nicht behaupten kann.

Und die Moral von der Geschicht? Reiseführer-Männer lügen nicht!

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